
Der folgende Auszug beschreibt treffend jenen Spagat, welchen die Band (eigentlich jede Rockband) mit Zunahme ihres Erfolges zu meistern hat.
"Rolling Stones in Rio -
Wie heizt man die Stimmung an, wenn ein Superstar wie Mick Jagger durch eine Barriere von etwa 700 selbstverliebten VIPs vom Volk getrennt wird, die sich vor der Bühne in Szene setzten und mit ihren teuren Mobiltelefonen fotografieren, während sich die Rock'n'roll-Dinosaurier auf der Bühne abmühen? Ganz einfach: Man befördert den Star mittels einer fahrbaren Bühne mitten unters "Povo" - unters Volk. Etwa hundert Meter weit glitten die "Rolling Stones" auf Schienen über den Sandstrand, bis sie, mit dem Rücken zu den eitlen Promis, mitten unter den Fans spielte. "Miss You", sang Jagger, zum Anfassen nah, und zum ersten Mal in dieser Nacht fing Copacabana Feuer. Bei "Sympathy for the devil" glitt er wieder hinter die Mauer der VIPs zurück, das Publikum verstand die Doppeldeutigkeit und jubelte." (SPIEGEL, 2006)
Während die Beatles ihr Publium einst lässig aufforderten: “For our last number I’d like to ask your help: Will the people in the cheaper seats clap your hands? And the rest of you, if you’ll just rattle your jewellery!”, und damit das Thema vom Tisch fegten, sind die Stones mittlerweile natürlich selbst Teil der vom breiten Publium so kritisch beäugten VIP-Garde. Eine Rockband aber muß sich dabei stets eine gewissen Glaubwürdigkeit, Credibility bewahren können. Dass man um diese auch innerhalb der Band fürchtet, merkt man etwa, wenn Richards seinen Bandkollegen öffentlich wegen dessen Ritterschlag verhöhnt.
Dabei sehnt auch das Publilkum nach den Anfangstagen zurück. Und eben nach den Klassikern wie Sympathy for the devil, die der Band sicherlich manchmal auch als Fluch erscheinen mögen:
"Für Bands, die lange und erfolgreich im Geschäft sind, kann es zu einem Problem werden, dass sich im Grunde niemand für ihr aktuelles Zeug interessiert. Mal ehrlich, wer will schon neue Stones-Songs hören, wenn er zum gleichen Preis „Sympathy for the Devil“ haben kann?"
(Die Zeit, 2008)
Denn:
"Mag die Live-Darbietung auch oft ans Stümpertum grenzen, wir hören die Stücke ja ohnehin aus der Erinnerung heraus, Vorsprung durch Feeling, und Dabeisein ist jetzt alles: So viel Glück wie die Stones haben wenige unter den Menschen verbreitet. Wer einmal miterlebt hat, wie ein ganzes Stadion den Refrain zu Sympathy For The Devil maunzt, „Uh-uuuh“, wie dazu von der Gegentribüne vielhundertfach rote Ansteckzungen blinkern und wie die Lichtkegel der Bühnenscheinwerfer durch einen Nachthimmel kreisen, in dem die Mondsichel genau an der rechten Stelle hängt, dem darf ein Schauer der Dankbarkeit übern Rücken laufen."
(Die Zeit, 2003)
Die Zeichnung oben ist als Song-Bilderrätsel im Februar 2009 im berliner Tagesspiegel erschienen.
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