Mittwoch, 1. April 2009

Inszenierung von "Sympathy for the devil", Part II ("Shine a Light")


Wiederum knapp zwanzig Jahre später, zwei Jahrzehnte nach der Steel Wheels Tour, gehen die Stones in der Ästhetik ihrer Bühnenshow wieder einen Schritt zurück. In Martin Scorseses Musikfilm "Shine a Light" , der bei der Berlinale 2008 seine Premiere feierte, erlebt der Zuschauer eine Inszenierung, die nahezu ohne Bombast auskommt. Aber auch die musikalische Entwicklung des Stückes ist nicht zu überhören: wohl in der Absicht, Patina vom Stück zu lösen und ihm neue Frische einzuhauchen, spielt sich das Piano hier von Beginn an mehr in den Vordergrund, ist in höherer Tonlage weit melodiöser, als in der Urfassung.
Dadurch wirkt der Song gefälliger als man ihn kennt, um nicht zu sagen harmloser. Zu Beginn ist die Bühne in rotes Licht getaucht, es gibt keine aufwendige Lightshow. Noch ist der Sänger nicht zu sehen, nur seine Stimme ist schon da: "Whoo-hoo!" hallt es irritierend fistelstimmig in den Saal. Schnitt auf Richards, der mit den Kollegen noch rasch letzte Absprachen trifft- der Star erscheint hier eben nicht als Überwesen, sondern als "alter Hase" , als Mensch. Plötzlich: am anderen Ende des Saales schwingt eine Flügeltür auf, vor rot gleißendem Licht- man assoziiert unweigerlich die Höllenpforte- zeichnet sich die dunkle Silhouette Jaggers ab. Im pechschwarzen Federmantel schreitet er in temperamentvollen Bewegungen durch das mitjohlende Publikum, der größtmögliche Gegensatz zum umnebelten Bühnenturm. Ein Bühnenarm ragt in den Zuschauerraum, so dass Jagger auch während des Auftritts in die Menge hineinlaufen kann; Jagger interagiert mit den Zuschauern (gibt z.B. den Chorus vor, animiert zum Klatschen) - die Grenze zum Publikum löst sich auf. Die Kameras fangen nahe zu gleichen Teilen Band und Publikum ein, und stellen so ein visuelle Ebenbürtigkeit her. Auch die Kamera filmt das Geschehen oftmals aus der Publikumsperspektive, die Menge wird als eine Zusammensetzung aus Individuen erkennbar. Indes fangen die gestochen scharfen Digitalbilder die Musiker in solch großer Nähe ein, dass selbst kleinste Unebenheiten in den Gesichtern erkennbar werden, hier sieht man die Stars wortwörtlich >hautnah<. Der Backgroundchor, zu Steel Wheel-Zeiten als reine Damenriege fein säuberlich aufgereiht in den Hintergrund verbannt, ist nun verteilt über die Bühne, durch Gesten wird eine enge Vertrautheit mit den Bandmitgliedern demonstriert (Umarmungen nach den Songs etc.), der Chor wird zum gleichberechtigten Teil der Band. Und doch wirkt der ganze Auftritt zu perfekt, zu gezähmt. So als habe man sich dem gutsituierten Publikum angebiedert: Faltenrock!
Schade, von Großmeister Scorsese hätte man mehr erwartet.

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