Mittwoch, 1. April 2009

Inszenierung von "Sympathy for the Devil", Pt. I



Gerade in Zeiten von MP3 sind Konzerttourneen das mit Abstand profitabelste Geschäft im Musikbusiness. Zwischen 1989 und 2003 haben die Stones mit ihren vier Konzertreihen etwa 1,1 Milliarden Euro umgesetzt. Wohl 90 Prozent davon kassierte Michael Cohl, der Tourneechef der Stones.
Nach Abzug aller Kosten, etwa für Bühne, Crew und Transport, dürfte jedes Bandmitglied zwischen 1989 und 1999 um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag reicher geworden sein. Für die "Forty Licks"-Tour sollen die vier Musiker insgesamt 100 Millionen Dollar verlangt haben.

Geschäftsmann in Hippiegestalt

Bereits seit 1989 organisiert der Kanadier Cohl die Welttourneen. Mit seinen langen Haaren, dem Vollbart und der John Lennon-Brille sieht Cohl bisschen aus wie ein Späthippie; doch Verhandlungspartner beschreiben ihn als knallharten Geschäftsmann.
Den Stones, die zuvor mit regionalen Veranstaltern gearbeitet hatten, bot er sich als engagierter Allround-Dienstleister an: Er kümmert sich um TV-Deals, organisiert die Tour, dabei auch um Merchandising und Sponsoring. 1989 bietet er den Stones eine Million Dollar pro Konzert. Angesichts dieser Offerte raufen sich Keith Richards und Mick Jagger nach jahrelanger Sendepause wieder zusammen, die "Steel Wheels"-Tour kann beginnen.
Der ausgewählte Clip ist dem Konzertfilm "At the Max" (1991) entnommen, der trotz seiner für dieses Verfahren ungewöhnlichen Länge von Neunzig Minuten mit IMAX ("Images Maximum")-Technik gedreht wurde, die durch eine extrem hohe Auflösung die Projektion auf Leinwände von 500 qm2 und mehr ermöglicht.
Das Video zeigt die Band während ihrer Europa-Tournee 1990.
Im Gegensatz zu früheren Inszenierungen, wie etwa dem berüchtigten Auftritt in Altamont 1969, tritt hier, zwanzig Jahre später, bei der Darbietung von Sympathy for the devil, das klassische "Prinzip Star" in den Vordergrund. Dieses Prinzip ist nicht an ein bestimmtes Medium (wie z.B. Kino) gebunden, sondern hat sich im ersten Medium der Darstellenden Kunst, also auf der Bühne, als eine dispositive Struktur herausgebildet.
"Der Star selbst ist dabei als Person zu verstehen, die durch ihre körperliche Präsenz, ihr Auftreten , ihre Gestik, und Mimik nicht nur eine Rolle glaubhaft verkörpern kann, sondern darüber hinaus auch noch ein Publikum zu faszinieren und auf seine Person zu fixieren weiß."
Diese Begriffsdefinition von "Star" des Medienwissenschaftlers Knut Hickethier, lässt sich am vorliegenden Beispiel hervorragend ablesen.
Mit einer maximal Star-zentrierten Choreographie beginnt das Stück:
Nebel tut sich auf , Jagger erscheint auf einem Turm der wie eine martialischen Festung anmutenden Bühnenkulisse, hoch über dem Publikum. Flammen schießen aus den Turmspitzen, die gesamte Bühne ist in rotes Licht getaucht. Flugscheinwerfer, wie bei Leni Riefenstahl in ihrem "Triumph des Willens" dem ursprünglichen Zweck entfremdet, durchbohren die Nacht. Angesichts dieser bedrohlichen Atmosphäre, der gewaltigen Kulisse, fühlt man sich jäh erinnert an Friedrich Kittlers Diktum von "Rockmusik ist Missbrauch von Heeresgerät", und schließlich berichtet uns der mephistophelische Rockstar nun folgend vom Kriege.
Bestimmend für den Star ist sein Verhältnis zum Publikum, welches die Kamera hier nur selten einfängt und dabei als homogene Masse inszeniert. Anfangs erscheint dieser Effekt besonders deutlich, wenn das Auditorium in rotes Licht getaucht, als uniformes Heer erscheint.
Zu wirklichen Stars werden Musiker erst, wenn das Publikum sie "annimmt", wenn sich also zwischen Publikum und Performer über das bloße Darstellen, das "Image" hinaus, eine auratische Beziehung bildet.
Darüber hinaus funktioniert die Verwandlung von der Person zum Star erst, wenn das Publikum in ihm auf idealisierte, überhöhte Weise Eigenschaften wiedererkennt, die es (wenn auch unbewusst) sich selbst zuschreibt oder herbeisehnt.
Dazu kommt, dass Überhöhung, wie sie sich hier auch räumlich durch den Bühnenturm manifestiert, nur einen der notwendigen Pole des Startums darstellt. Innerhalb seines Mediums (hier der Bühne), erzeugt der Star ein Bild von greifbarer "Natürlichkeit", das zwar ein künstlich erzeugtes darstellt, aber den Betrachtern den Schein des Unmittelbaren, Direkten, ja letztlich Nicht-Medialen vermittelt. Dies geschieht etwa bei der direkten Interaktion mit dem Publikum. Wenn Jagger während Richards Gitarrensolo schließlich die Showtreppe hinuntergelaufen kommt und sich , nach den typisch vitalen Verrenkungen am Bühnenrand postiert, ist dies nichts anderes als Abschreiten dieser beiden Pole. Anhimmeln und Anfassen.

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